«In meinem ersten Lebensabschnitt bin ich zu einer Kämpferin herangewachsen. Leistung stand an oberster Stelle und bestimmte meinen Wert und meine Identität. Somit investierte ich viel in Leistungssport, meine Leidenschaft, die stetig mehr Zeit forderte. Tief in mir verwurzelt war das Motto «ohne Leistung kein gutes Ergebnis», was wiederum meinen eigenen Wert und Identität in Frage stellte. Das war auch ein Grund, weshalb ich nur schon kleinere Rückschläge oder Niederlagen schwer verkraftete. Doch nach Aussen wollte ich immer die «Starke» repräsentieren, weshalb ich Sorgen und Ängste für mich behielt. Ich war stets eine Einzelkämpferin, die alles mit sich selbst aushandelte. Selbst meine nächste Umgebung erfuhr nichts von meiner Not, die in mir, durch meine eigene Leistungsorientierung, immer grösser und grösser wurde. Meine erste grosse Krise wurde von einer überraschenden Diagnose eines Herzfehlers ausgelöst. Ich war damals 15 Jahre alt. Den Leistungssport musste ich abrupt stoppen, was für mich ein riesiger Rückschlag darstellte. Innerlich war ich zertrümmert und wollte gar nichts mehr, nur noch aufgeben. Nach Aussen versuchte ich mich weiterhin hinter der «Maske» zu verstecken. Meine Familie unterstützte mich und half mir weiter zu gehen, ohne zu wissen, wie gross meine Not schon damals war. Ich wählte weiterhin den bekannten Weg als Einzelkämpferin, Leistung und Resultate blieben meine oberste Priorität. Dann erfuhr ich, dass mein Herzfehler geheilt sei und das Wunder meiner Heilung bewog mich, wieder in den Leistungssport einzusteigen, da ich sonst sowieso nichts hatte. Doch mein Trainingsrückstand und die fehlende Erfahrung machten mir vermehrt zu schaffen. Meine Leidenschaft litt unter meiner Leistungsorientiertheit und schliesslich erlosch sie ganz. Trotzdem hielt ich am alten, bekannten Weg krampfhaft fest, da ich keine Alternative kannte.
Es folgten vermehrt Niederlagen, die ich nicht mehr ertrug und ich gelangte an einen Punkt in meinem Leben, an dem ich kapitulieren musste. Ich wollte nichts mehr und weigerte mich weiter zu machen. Die kommenden vier Jahre verbrachte ich mehr oder weniger in der Klinik. Immer wieder versuchte ich, mit meinem Leben alleine klarzukommen und wieder auf meinen Beinen zu stehen, doch ohne Erfolg.
Nun bin ich seit Oktober 2019 im Dialogos. Es war ein schwieriger Neustart und noch immer ist es ein steiler und langer Weg. Dieser Weg braucht viel Geduld und Neuorientierung. Ich bin froh, dass ich neben der Therapie, im Dialogos auf Geduld treffe und das Team auch dann dranbleibt, wenn ich aufgeben möchte. Das hilft mir ebenfalls dran zu bleiben und weiter zu kämpfen. Zugleich erhalte ich hier im Dialogos die Möglichkeit mich neu zu orientieren, d.h. mein Leben nicht nach der Leistung auszurichten oder vom Resultat abhängig zu machen. Parallel dazu findet auch die Orientierung nach meinen Stärken und Interessen, ausserhalb des Leistungssports, statt, was mir verhelfen wird später wieder in die Berufswelt einzusteigen und einen geeigneten Platz zu finden. Auch bezüglich des sozialen Umfelds, kann ich hier viel lernen. Es ist eine Umstellung und eine neue Erfahrung mit Aussenstehende zu arbeiten statt als Einzelkämpferin unterwegs zu sein. Hier kann ich lernen ein soziales Umfeld zu pflegen, mich zu öffnen und Vertrauen aufzubauen. Zudem habe ich hier die Chance zu lernen, welche Hilfe ich benötige und übe mich darin, diese auch in Anspruch zu nehmen.