Luca wird im Sommer 24 Jahre alt und lebt seit bald vier Jahren im Dialogos. Eine undifferenzierte Schizophrenie und ein atypischer Autismus prägen den Alltag von Luca. Seine Gedankengänge sind immer wieder überraschend. Durch Nachfragen und geduldig zuhören werden immer mehr Zusammenhänge verständlich. In der Wortwahl wird Luca für mich spürbar und die Themen, mit denen er sich auseinandersetzt, zeigen seine einzigartige Persönlichkeit. Seine besondere Art sich auszudrücken ist faszinierend. Manchmal formuliert Luca auch nur ein Wort und wenn ein Thema für ihn noch nicht beendet ist, führt er das Gespräch wiederholt zu diesem Inhalt zurück. Manchmal erfahre ich einen von der Frage unabhängigen Gedanken und erkenne dann, im Verlaufe des Gesprächs, seine Botschaft. Er möchte über Sport, den Körper, die Natur, seine Ernährung und über seinen Tag-/Nachtrhythmus erzählen.
Immer wenn ich im Dunkeln tappe, hilft Luca mir, seine Inhalte zu ordnen und bringt buchstäblich Licht in mein Dunkel. Ich frage ihn, wie er diese Jahre im Dialogos erlebt hat.
«Ich kann meine Sachen nicht ordentlich planen, vor allem die Umsetzung ist schwierig. Bevor ich kam, hatte ich nur ein Samsung Handy, jetzt bin ich auf Apple umgestiegen. Ich konnte mir mit Unterstützung einen Laptop kaufen. Schreiben und Gedanken ordnen braucht viel Zeit. Ich brauche verschiedene Themen, um dann zu überlegen, was ich über die Bereiche denke.
Ich bin gern zu Fuss unterwegs. Bis nach Frauenfeld, einmal sogar bis nach Weinfelden, nach Affeltrangen kommt Weinfelden. Es war aber nicht gut, weil es in der Nacht war und ich durch einen Wald gehen musste. Ich hatte keine Angst, fand es aber nicht gut. Es war während einer Medikamentenänderung. Medikamente schlagen auf die Psyche. Der Körper muss sich daran gewöhnen. Der Blutkreislauf war in einem schnellen Rhythmus.
Ich frage nach, was er damit meint. «Ich war unruhig – ja unruhig passt. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt. Ich gehe seit März 2021 im Murghof arbeiten. Bei der Arbeit habe ich mich verbessert. Sie ist wie Unterhaltung für mich und dort rauche ich weniger. Es gibt viele Wiederholungen, das ist sehr praktisch für mich. Zum Beispiel verpacke ich Vorhangstangen, diese muss ich Vitragen» nennen. Ich verpacke sie in ein Säckli, etikettiere und verschliesse dann. Es geht auch um Feinmotorik.»
Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit deiner Bezugsperson?
«Meine Bezugsperson sagt, dass ich sehr weit gekommen bin, dass wir uns verändert haben. Bei der Wäsche habe ich manchmal Risse, zwei Reissverschlüsse sind kaputt. Ich habe neue Kleider gekauft, manchmal auch mit der Bezugsperson. Ich weiss, welche Läden sie bevorzugt und welche ich. Sie führt Gespräche mit mir und wir gehen auf den Sonnenberg und sind unterwegs.»
«Ich möchte etwas zum Aufstehen sagen. Ich schaffe es nicht, weil ich wach werde und dann geschieht nichts und dann schlafe ich wieder ein. Seit kurzer Zeit habe ich eine Brille. Ohne Brille konnte ich nicht lesen, jetzt sehe ich scharf. Ich kann alles lesen, das ist praktisch. Und draussen in der Natur ist es am besten. Ich sehe die Berge. Sonne und Schnee ist gut, ich bin gerne draussen, die Natur ist wichtig.»
Dann fällt ihm das Wort Arbeit ein und er spricht es aus und wird nachdenklich. Er konzentriert sich und wiederholt seine Gedankengänge leise, und fragt mich dann: «In welchem Zusammenhang steht Arbeit und Licht?» Worauf ich seine Worte wiederhole und er dann erwidert: «Es muss mir etwas Negatives zur Arbeit eingefallen sein. Ach ja, wenn draussen die Sonne
scheint, dann stört mich das künstliche Licht am Arbeitsplatz und die laute Musik stört mich auch. Früher ging das Denken besser. Denken ist wichtig, es ist eine Kopfsache. Ich kann nicht gut zuhören und mir Sachen merken. Ich weiss nicht, ob meine psychische Krise vom Rauchen kam, aber ich denke vom Kiffen. Vor fünf Jahren kam ich in die Klinik. Beim Kiffen wird man faul und unbeweglich und man erinnert sich nicht mehr genau. Ich weiss noch, dass alles umher lag. Papier und Elektronisches, alles war zerstreut. Es ist schlimm, wenn man die Gedanken nicht mehr zusammenbringt. Seit 5 Jahren kiffe ich nicht mehr, vielleicht ab und zu CBD, Alkohol aktiviert, CBD entspannt. Alles massvoll ist gut. Ich rauche nicht mehr als 10 Zigaretten pro Tag. Bei der Arbeit frage ich mich manchmal, was ich getan habe, und ich wünsche mir manchmal eine Pause von der Arbeit. Die anderen sagen, dass es ein Fortschritt ist, wenn ich aufstehe, aber das ist schwierig für mich, oft fehlt die Energie am Morgen. Ich habe Olanzapin, davon schlafen mir die Augen weg und ein anderes Medikament ist gegen die Psychose, gegen zu viele Gedanken.
Mein schlechter Rhythmus stört mich. Ich möchte gerne weniger schlafen, mit besserer Qualität und gut aufstehen können.
Gibt es weitere Wünsche für deine Zukunft?
«Ich möchte weniger am Handy sein, das trocknet die Augen aus. Im Internet habe ich wenig Ordnung, es gibt dort Interessenskonflikte und das Wichtigste muss ich aufschreiben. Ich interessiere mich für Fitness und ich möchte im Rhythmus bleiben. Es ist gut für mich, wenn nicht zu hohe Erwartungen an mich gestellt werden. Was man kann, soll man brauchen, das was man nicht kann, oder will, nicht zu lange durchziehen. Kochen und backen lernen ist mir auch wichtig. Backen ist einfacher, das wäre toll. Zucker möchte ich wenig, trotzdem brauche ich Energie. Ich interessiere mich für die Nährwerte und Inhaltsstoffe und wie sie auf den Körper wirken. Ich konnte mehrmals Zopf backen. Ein ehemaliger Mitarbeiter hat mir Tipps gegeben, er ist nicht mehr da. Tipps zum Kneten und zur Luft im Teig. Ich möchte alles dazu wissen. Wissen ist wichtig. Es ist kein menschlicher Kontakt, daher ist es einfacher für mich. Kontakte sind schwierig, wenn sie nicht auf mich zukommen. Wenn jemand auf mich zukommt wie jetzt, dann ist es locker. Das Gespräch mit dir ist nicht geordnet, aber es ist kein Stress. Hören und sehen kann ich nicht so gut. Aber Zeit, Zeit ist schon wichtig, und verstehen. Interesse braucht Zeit. Es braucht sehr viel Zeit, sich mit sich und anderen auszukennen. Je länger ich erzähle, umso genauer wird es. Ich möchte mir eine Ahnung von allem beibringen und ich möchte mir Denken beibringen. Mal ist es da, mal nicht. Etwas Stress ist manchmal auch gut – es trainiert.»
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